FREILASSUNG DER ZWEI AKTIVISTEN* DER IGBW

Heute, am Freitag den 08.12.2017 um 12:00Uhr, wurden die beiden Aktivisten*, die die Gärtnerstrasse 112 am 06.12.2017 besetzten, endlich freigelassen.

Zwei Nächte in Haft wegen Hausbesetzung zeigen, dass die Staatsanwaltschafft mit unnötiger Härte gegen die beiden Aktivisten* der IGBW vorgegagnen ist.

Bisher belief sich die polizeiliche Praxis gegen Hausbesetzungen auf maximal einer Personenkontrolle auf dem Posten. Dies dauerte in den meisten Fällen nicht länger als wenige Stunden. Da die beiden Personen direkt im Haus verhaftet wurden, müsste der Sachverhalt aus Sicht der Polizei klar sein. Eine Befragung, wenn sie denn auch gemacht wird, dauert wohl kaum mehr als zwei Stunden. Die Feststellung von Fingerabdrücken und DNA müsste auch recht schnell gehen, genauso die Dursuchung nach versteckten Gegenständen am Körper. Nach vier Stunden gibt es also in so einem Fall gar keinen Grund jemanden weiter festzuhalten, ausser pure Abstrafung und Schikane von Andersdenkenden, die sich kritisch in Form von Aktionen äussern.

Wir finden nach wie vor, dass unsere politische Kritik in Form einer Hausbesetzung legitim ist und keine Straftat darstellt. Wir wollen die leerstehende Liegenschaft nutzen und beleben und werden dafür wie Schwerkriminelle behandelt, während es „legal“ ist, dass die Perris einen Ort besitzen, welchen sie gar nicht brauchen und sieben Jahre lang verkommen lassen.

Repression betrifft einzelne – gemeint sind wir alle!

Nachtrag zur Räumung der Gärtnerstrasse 112

Die Gärtnerstrasse 112 wurde heute Morgen im Rahmen einer politischen Aktion besetzt. Anhand dieser seit über 7 Jahren leerstehenden Liegenschaft kritisieren wir Wohnungsnot und die gewaltsame Unterdrückung von selbstbestimmten Wohngemeinschaften in der Stadt Basel. Nach der Hausbesetzung wurde umgehend versucht mit den Eigentümer*Innen persönlich Kontakt aufzunehmen. Diese verweigerten allerdings einen Dialog mit der IGBW. Sattessen erschien innerhalb kürzester Zeit ein massives Polizeiaufgebot, welches der IGBW ein Ultimatum stellte, das Haus innerhalb einer Stunde zu verlassen. Obwohl die Aktivist*Innen sich dazu bereit erklärt hatten, auf das Ultimatum einzugehen und das Haus friedlich zu verlassen, wurde bereits nach 15 Minuten die polizeiliche Räumung ohne weitere Erklärungen vollzogen. Die Polizei drängte die Räumung aggressiv auf und verhinderte andere Lösungsmöglichkeiten. Dabei wurden zwei Aktivisten* verhaftet, die sich bis zum jetzigen Zeitpunkt (17:00 Uhr) noch in Gewahrsam befinden.

Wir haben kein Verständnis für diesen unverhältnismässigen Polizeieinsatz. Nachbar*Innen, die ihre Sympathie zur Aktion geäussert hatten, zeigten sich genauso enttäuscht über die Räumung.

Dieser Morgen an der Gärtnerstrasse zeigt exemplarisch auf, wie Basel-Stadt leider jegliche Stadtentwicklung von unten im Keim erstickt, politischen Aktivismus kriminalisiert und jedweder Dialog einfach verweigert wird. Die Polizei begründetet die Räumung mit einem Bauvorhaben, welches nächsten Montag starten würde. Eine Aussage, die uns als sehr zweifelhaft erscheint. Ein generelles Baubegehren wurde 2010 eingereicht, seither steht das Haus aber leer. Das Ehepaar Perri, welche Besitzer*Innen mindestens vierer Liegenschaften sind, nutzt ihre privilegierte Lage, um jahrelang ein ideales Wohnhaus für den Leerstand zu reservieren. Mit diesem Verhalten steuern sie aktiv zur Wohnungsnot in Basel bei.

Wir fordern:

  • Dass die Anzeige gegen die beiden IGBW Aktivisten* zurückgezogen wird.
  • Dass unsere Kritik an der Stadtentwicklung nicht kriminalisiert wird.
  • Dass solche Verhaltensweisen wie die von Herr und Frau Perri nicht weiter gebilligt werden.
  • Stattdessen sollen Wohnprojekte wie unsere toleranter betrachtet werden.

Wir fordern ein Recht auf Stadt!

Hausbesetzung der Gärtnerstrasse 112 in Basel – 5 Jahre leer – jetzt wiederbelebt!

Basel, 6. Dezember 2017

Die Interessengemeinschaft Bedingungsloses Wohnen (IGBW) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Erhaltung und Entwicklung von selbstbestimmten Wohngemeinschaften einsetzt. Dies ist unsere Stellungnahme zur Besetzung der Gärtnerstrasse 112:

Die Stadt Basel wird aufgewertet. In immer kürzeren Zyklen werden Häuser abgerissen und neu gebaut, Mietwohnungen in Wohneigentum verwandelt, Mieten erhöht und durch grossflächige Investitionen ganze Stadtteile umgekrempelt. Das Präsidialdepartament des Kantons Basel-Stadt – zuständig für die Kantons- und Stadtentwicklung – erklärt die zugrunde-liegende Strategie:

Sie beruht auf dem Leitgedanken, die Wohnbedürfnisse der gesamten Bevölkerung zu berücksichtigen. Bestehende und bewährte Massnahmen werden fortgeführt und mit zweckmässigen zusätzlichen Massnahmen ergänzt. Wo erforderlich, sind die Fördermassnahmen im neuen Gesetz über die Wohnraumförderung (WRFG) verankert.

Diese zweckmässigen Fördermassnahmen bestehen vor allem in der Schaffung wirtschaftlicher Rahmen-bedingungen, die den sozialen Wohnungsbau fördern sollen. Dazu wird der Abrissschutz gelockert. Das
bedeutet, die Stadtentwicklung den Profitinteressen privater InvestorInnen zu überlassen, in der Hoffnung, der freie Markt würde das Wohnungs-angebot schon regulieren.

Wie sich diese Art der Stadtplanung auf unseren Lebensraum auswirkt, durften vor allem diejenigen erfahren, deren Wohnbedürfnisse primär in günstigen Mieten und selbstbestimmten Gemeinschaften bestehen.
Vom Steinengraben, Mattenstrasse 74/76, der ganzen Häuserzeile des Burgwegs, dem Atelier Klingental bei der Kaserne, ZurBleibe an der Müllheimerstrasse 157, Mülhauserstrasse 26 über das Uferlos, Schanze,
Schlossgasse 12 und Schwarzwaldallee 269 werden alte Häuser abgerissen und durch Luxusbauten ersetzt, die Mieten durch übertriebene Sanierungen ins Unbezahlbare getrieben, Besetzungen grundlos geräumt, Mietverträge auf Vorrat gekündigt, das Mietrecht durch Zwischennutzungen ausgehebelt, langjährig zusammengewachsene Gemeinschaften zerrissen, selbstverwaltete Freiräume begraben und die Bewohner*Innen für immer aus ihrem Zuhause verdrängt.

Verkommt unsere Stadt zu einer sterilen Investitionsfassade, dann verwelkt auch das Leben in unseren Quartieren. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Wohnbedürfnisse der Profitlogik weichen müssen, die Basel in ein Life-Science-Cluster verwandeln will. Verdrängte aus allen Quartieren haben sich vereinigt; Die Bewegung Recht auf Stadt wurde ins Leben gerufen, Demonstrationen organisiert, Quartierfeste gefeiert, um mediale Aufmerksamkeit gerungen, in jeglichen Mitwirkungsverfahren gewirkt, Einsprachen erhoben und Gerichtsprozesse geführt! Wir haben viel erschaffen und viel erreicht, doch die Verdrängung schreitet unaufhaltsam voran. Dass sich sowohl die Politik als auch die städtische Verwaltung überhaupt nicht für unsere Anliegen einsetzt, zeigte sich beispielsweise in dem Gerichtsverfahren um den Steinengraben, wo sogar die Garagen-plätze als Wohnraum gezählt wurden, um das WRFG zu umgehen und den Abriss zu bewilligen. Diese Verdrängung durch den Aufwertungsprozess ist nicht notwendig, sondern Ausdruck einer Stadtpolitik, die Profitinteressen von Investor*Innen viel höher gewichtet als die Bedürfnisse der HausbewohnerInnen.

Für eine Stadt von unten!

Vor diesem Hintergrund hat sich die IG-Bedingungsloses Wohnen gebildet und die Gärtnerstrasse 112 besetzt.
Wir entschieden uns bewusst für diese Form zivilen Ungehorsams, weil wir genau wissen:

  • dass eine Stadt auf die Alle, auch die Leute mit geringen finanziellen Mitteln, gleichviel Anrecht haben, niemals von Investor*Innen geplant wird, sondern nur von unten von den Quartiersbewohner*Innen selbst erbaut werden kann
  • dass wir nur durch die direkte, selbstbestimmte Gestaltung unseres Wohnraums gut leben können
  • dass die ganze institutionalisierte Pseudopartizipation lediglich dem Verkauf unseres Lebensraums einen demokratischen Anstrich verpasst
  • dass sich unsere Bedürfnisse niemals in bezahlbare Nachfrage verwandeln
  • dass wir uns der kapitalistischen Stadteinwicklung widersetzen wollen

Wir können nicht verstehen, wieso die selbstverwaltete Nutzung von leerstehenden Häusern in Basel derart gewaltsam unterdrückt wird. Im Hinblick auf die Verdrängung der unteren sozialen Schicht aus der Stadt ist Besetzen mehr als legitim! Neben dem hunderte Menschen verzweifelt eine geeignete Wohnung suchen, dürfen es sich vermögende Privateigen-tümer*Innen leisten, ihre Häuser über viele Jahre leerstehen zu lassen! Obwohl keine Bauprojekte begonnen oder besser noch, noch nicht einmal geplant waren, wurden die Türkheimerstrasse 71, Hardstrasse 112 und die Schwarzwaldallee 269 polizeilich geräumt, zugemauert und ihre BewohnerInnen über Nacht auf die Strasse gestellt! Nur damit diese Häuser nun weitere Jahre ungenutzt leerstehen können?

Zeit zu teilen

Das Ehepaar Fabrizio und Lidia Perri besitzt neben einem Miethaus am Wiesenplatz – für das sie Miete einsacken –, noch das Haus an der Grenzacherstrasse 215, welches nun auch schon seit Jahren leer ist. Die Liegenschaft an der Gärtnerstrasse brauchen sie offensichtlich nicht, sonst würde sie nicht schon seit über 5 Jahren leerstehen. Besagtes Haus eignet sich hervorragend zur Verwirklichung unserer Wohngemeinschaft. Da wir auf solchen Wohnraum angewiesen sind, fordern wir bleiben zu können!

Beispiele einiger auf Vorrat zugemauerter Wohnhäuser: Schwarzwaldallee 269 (1), Hardstrasse 112-116 (2), Türkheimerstrasse 71 (3).

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