Basel, 6. Dezember 2017
Die Interessengemeinschaft Bedingungsloses Wohnen (IGBW) ist eine gemeinnützige Organisation, die sich für die Erhaltung und Entwicklung von selbstbestimmten Wohngemeinschaften einsetzt. Dies ist unsere Stellungnahme zur Besetzung der Gärtnerstrasse 112:
Die Stadt Basel wird aufgewertet. In immer kürzeren Zyklen werden Häuser abgerissen und neu gebaut, Mietwohnungen in Wohneigentum verwandelt, Mieten erhöht und durch grossflächige Investitionen ganze Stadtteile umgekrempelt. Das Präsidialdepartament des Kantons Basel-Stadt – zuständig für die Kantons- und Stadtentwicklung – erklärt die zugrunde-liegende Strategie:
„Sie beruht auf dem Leitgedanken, die Wohnbedürfnisse der gesamten Bevölkerung zu berücksichtigen. Bestehende und bewährte Massnahmen werden fortgeführt und mit zweckmässigen zusätzlichen Massnahmen ergänzt. Wo erforderlich, sind die Fördermassnahmen im neuen Gesetz über die Wohnraumförderung (WRFG) verankert.“
Diese zweckmässigen Fördermassnahmen bestehen vor allem in der Schaffung wirtschaftlicher Rahmen-bedingungen, die den sozialen Wohnungsbau fördern sollen. Dazu wird der Abrissschutz gelockert. Das
bedeutet, die Stadtentwicklung den Profitinteressen privater InvestorInnen zu überlassen, in der Hoffnung, der freie Markt würde das Wohnungs-angebot schon regulieren.
Wie sich diese Art der Stadtplanung auf unseren Lebensraum auswirkt, durften vor allem diejenigen erfahren, deren Wohnbedürfnisse primär in günstigen Mieten und selbstbestimmten Gemeinschaften bestehen.
Vom Steinengraben, Mattenstrasse 74/76, der ganzen Häuserzeile des Burgwegs, dem Atelier Klingental bei der Kaserne, ZurBleibe an der Müllheimerstrasse 157, Mülhauserstrasse 26 über das Uferlos, Schanze,
Schlossgasse 12 und Schwarzwaldallee 269 werden alte Häuser abgerissen und durch Luxusbauten ersetzt, die Mieten durch übertriebene Sanierungen ins Unbezahlbare getrieben, Besetzungen grundlos geräumt, Mietverträge auf Vorrat gekündigt, das Mietrecht durch Zwischennutzungen ausgehebelt, langjährig zusammengewachsene Gemeinschaften zerrissen, selbstverwaltete Freiräume begraben und die Bewohner*Innen für immer aus ihrem Zuhause verdrängt.
Verkommt unsere Stadt zu einer sterilen Investitionsfassade, dann verwelkt auch das Leben in unseren Quartieren. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Wohnbedürfnisse der Profitlogik weichen müssen, die Basel in ein Life-Science-Cluster verwandeln will. Verdrängte aus allen Quartieren haben sich vereinigt; Die Bewegung Recht auf Stadt wurde ins Leben gerufen, Demonstrationen organisiert, Quartierfeste gefeiert, um mediale Aufmerksamkeit gerungen, in jeglichen Mitwirkungsverfahren gewirkt, Einsprachen erhoben und Gerichtsprozesse geführt! Wir haben viel erschaffen und viel erreicht, doch die Verdrängung schreitet unaufhaltsam voran. Dass sich sowohl die Politik als auch die städtische Verwaltung überhaupt nicht für unsere Anliegen einsetzt, zeigte sich beispielsweise in dem Gerichtsverfahren um den Steinengraben, wo sogar die Garagen-plätze als Wohnraum gezählt wurden, um das WRFG zu umgehen und den Abriss zu bewilligen. Diese Verdrängung durch den Aufwertungsprozess ist nicht notwendig, sondern Ausdruck einer Stadtpolitik, die Profitinteressen von Investor*Innen viel höher gewichtet als die Bedürfnisse der HausbewohnerInnen.
Für eine Stadt von unten!
Vor diesem Hintergrund hat sich die IG-Bedingungsloses Wohnen gebildet und die Gärtnerstrasse 112 besetzt.
Wir entschieden uns bewusst für diese Form zivilen Ungehorsams, weil wir genau wissen:
- dass eine Stadt auf die Alle, auch die Leute mit geringen finanziellen Mitteln, gleichviel Anrecht haben, niemals von Investor*Innen geplant wird, sondern nur von unten von den Quartiersbewohner*Innen selbst erbaut werden kann
- dass wir nur durch die direkte, selbstbestimmte Gestaltung unseres Wohnraums gut leben können
- dass die ganze institutionalisierte Pseudopartizipation lediglich dem Verkauf unseres Lebensraums einen demokratischen Anstrich verpasst
- dass sich unsere Bedürfnisse niemals in bezahlbare Nachfrage verwandeln
- dass wir uns der kapitalistischen Stadteinwicklung widersetzen wollen
Wir können nicht verstehen, wieso die selbstverwaltete Nutzung von leerstehenden Häusern in Basel derart gewaltsam unterdrückt wird. Im Hinblick auf die Verdrängung der unteren sozialen Schicht aus der Stadt ist Besetzen mehr als legitim! Neben dem hunderte Menschen verzweifelt eine geeignete Wohnung suchen, dürfen es sich vermögende Privateigen-tümer*Innen leisten, ihre Häuser über viele Jahre leerstehen zu lassen! Obwohl keine Bauprojekte begonnen oder besser noch, noch nicht einmal geplant waren, wurden die Türkheimerstrasse 71, Hardstrasse 112 und die Schwarzwaldallee 269 polizeilich geräumt, zugemauert und ihre BewohnerInnen über Nacht auf die Strasse gestellt! Nur damit diese Häuser nun weitere Jahre ungenutzt leerstehen können?
Zeit zu teilen
Das Ehepaar Fabrizio und Lidia Perri besitzt neben einem Miethaus am Wiesenplatz – für das sie Miete einsacken –, noch das Haus an der Grenzacherstrasse 215, welches nun auch schon seit Jahren leer ist. Die Liegenschaft an der Gärtnerstrasse brauchen sie offensichtlich nicht, sonst würde sie nicht schon seit über 5 Jahren leerstehen. Besagtes Haus eignet sich hervorragend zur Verwirklichung unserer Wohngemeinschaft. Da wir auf solchen Wohnraum angewiesen sind, fordern wir bleiben zu können!
Beispiele einiger auf Vorrat zugemauerter Wohnhäuser: Schwarzwaldallee 269 (1), Hardstrasse 112-116 (2), Türkheimerstrasse 71 (3).
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